Tobias Esche and his wife Htet Htet Aung
Interview mit Tobias Esche, Reisebuchautor Myanmar – Unterwegs im Land der weißen Elefanten, und Thailand (in Arbeit), Gesellschafter bei Reiseveranstaltern in Myanmar und in Thailand.
Ich wurde 1979 in Berlin geboren, und im selben Jahr haben meine Großeltern ihren Posten bei der Botschaft in Yangon verlassen und sind nach Berlin zurückgekehrt (Anm. der Redaktion: Botschaft der damaligen DDR).
1991 hatten meine Großeltern beschlossen, nach Myanmar zu ziehen, um dort als Rentner endlich ihr Lebenswerk vollenden zu können – das erste Wörterbuch Deutsch-Myanma, das 2011 beim Buske Verlag, Hamburg, erschienen ist.
Die beiden sind zwischen 1991 und 2008 für jeweils sechs Monate nach Myanmar gefahren, und 1996 fragten sie mich, ob ich sie nicht in ihrer Wahlheimat besuchen möchte. Damals war ich 16 oder 17 Jahre alt, und es handelte sich um meine erste Fernreise, die mich nachhaltig geprägt hat.
Später habe ich an der Universität Potsdam Politikwissenschaften und an der Humboldt-Universität zu Berlin Südostasienwissenschaften studiert und habe seit dieser Zeit Myanmar und auch Thailand regelmäßig besucht, meistens für längere Reisen, aber auch für ganz kurze Aufenthalte.
Letztendlich bin ich im Jahr 2011 endgültig nach Myanmar umgezogen, nachdem ich über einen Zeitraum von etwa 3 Jahren im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts fast alle freigegebenen Akten der beiden deutschen Botschaften in Myanmar gesichtet und ausgewertet hatte.
Ja, das tat ich im Auftrag einer meiner Professoren, der schließlich im Jahr 2015, nach mehr als 10 Jahren Arbeit, eine politische Biographie zum ehemaligen starken Mann Myanmars, General Ne Win, veröffentlicht hat.
Die Akten im Auswärtigen Amt waren für dieses Vorhaben von großer Bedeutung, da der General sehr gute Beziehungen mit Deutschland pflegte. Der Protokollchef im Auswärtigen Amt im Jahr 1979, Graf von Podewils, schrieb einmal: „Kein anderes ausländisches Staatsoberhaupt besucht die Bundesrepublik so oft wie der General“.
Ausschlaggebend für meinen Umzug nach Myanmar war die Anfrage meine jetzigen Verlags, ob ich denn einen Reiseführer zu Myanmar schreiben könnte. So ein Angebot erhält man nur einmal im Leben.
Im Anschluss habe ich mich über meine Reisebüros in Myanmar und später in Thailand selbstständig gemacht, habe geheiratet – meine Frau ist eine deutschsprachige Reiseleiterin – und wir besuchen Deutschland fast jedes Jahr für einen Zeitraum von 6 bis 8 Wochen.
Zur Zeit der direkten Militärherrschaft in Myanmar war das Leben entspannter, was aber nicht heißen soll, dass es jetzt nicht entspannt ist, etwas, was mir immer noch sehr gefällt. Neuerdings aber gibt es viele neue Regeln, die mich einerseits einschränken, andererseits aber auch befreiend sind. Das betrifft vor Allem das Reisen.
Heute ist es möglich, in die entferntesten Regionen des Landes vorzudringen, was bis vor wenigen Jahren noch völlig unmöglich war. Besonders angetan hat es mir dabei die Grenzregion zu Thailand, die jetzt sehr viel offener und durchlässiger geworden ist. Das ist äußerst spannend, und meistens fahren wir mit einem Ford Ranger Allradfahrzeug in diese Regionen, was angesichts der Straßenverhältnisse ratsam ist.
Erst im April waren wir im äußersten Westen des Landes, im Chin-Staat, der an Indien grenzt. Dort liegt der kleine Grenzort Rihkawdar, der nur wenige Wochen nach unserer Ankunft als Grenzübergang für den internationalen Tourismus geöffnet worden ist.
Solche Reisen beflügeln meine Fantasie genauso sehr wie ein Abstecher von Loikaw, der Hauptstadt des Kayah-Staats, hinüber zur thailändischen Grenze, wo der kleine Grenzort Mese hoffentlich bald für den internationalen Tourismus geöffnet wird.
Gegenüber liegt die thailändische Provinz Mae Hong Son, und die neuen Möglichkeiten zur Reisegestaltung sind sehr aufregend. Solche Reisen in einem geländegängigen Fahrzeug, völlig unabhängig von vorgefertigten Reiseplänen, steigern das Gefühl der Freiheit ins Unermessliche.
Das ist ein schöner Ausgleich zu den Reiseleitungen, die ich mit den Gruppen des Berliner Reiseveranstalters Windrose regelmäßig im November und im Februar in der ausgezeichnet erschlossenen Zentralregion des Landes unternehme.
Im kommenden Dezember werden wir mit Freunden die Grenzregion zu China erkunden, und im April 2019 befahren wir mit einem unserer Kunden, den Myanmar Experts, die gesamte Westküste.
Solche Touren sind spannend und helfen uns als Firma und mir aus Reisebuchautor, durch das Entdecken neuer Routen, mit spannenden Begegnungen und viel Abenteuer unsere Kunden und Leser immer über tolle neue Möglichkeiten zur Reisegestaltung zu informieren.
Was besonders gut anzukommen scheint, sind Individualreisen mit mir als Fahrer und meiner Frau als Reiseleiterin für Kleinstgruppen von 4 bis 6 Teilnehmern – individueller und persönlicher kann man nicht reisen.
Die Regenzeit ist eine Herausforderung. Yangon liegt nahe der Küste, und ist daher stark vom jährlichen Monsun von Mai bis Oktober betroffen. Das gilt nur für den Süden und die Küstenregionen, während es im Landesinneren viel weniger regnet.
Aus diesem Grund ziehen wir zu dieser Jahreszeit gerne nach Mandalay, Bagan, den Inle-See oder nach Loikaw, meiner Lieblingsstadt. Loikaw und der Kayah-Staat sind noch echte Geheimtipps in Myanmar.
Dieses Jahr allerdings sind wir nach Chiang Mai in Thailand ausgewichen, wo wir einen Wohnung und viele Freunde haben. Auch dort regnet es sehr viel weniger als in anderen Teilen Thailands. Während der Regenzeit in Yangon geht man seltener aus und beschränkt sich auf zuhause und das Büro.
Einige unserer Tätigkeiten als Reiseveranstalter stellen uns ebenfalls vor große Herausforderungen. Wir wurden vom ARD-Studio Singapur unter Vertrag genommen, um für den verdienstvollen Fernsehjournalisten Robert Hetkämper zwei Produktionen in Myanmar vorzubereiten. Das war harte Arbeit, auf die wir besonders stolz sind.
Diese beiden Reisedokumentationen wurden erstmalig am Abend des 25. Oktober im NDR ausgestrahlt.
Schwer zu sagen. Mein Leben in Myanmar orientiert sich an den drei Jahreszeiten, die wir in Myanmar haben. Die kühle Zeit von Oktober bis März ist gleichzeitig die touristische Hochsaison, in der die meisten Touristen das Land bereisen. Während dieser Zeit sind wir sehr beschäftigt und arbeiten oft lange Überstunden im Büro und Treffen unsere Gäste am Flughafen oder im Hotel oder zum Essen. Obendrein leite ich einige Gruppen, teilweise zwei Gruppen hintereinander.
Dann folgt die heiße Jahreszeit von April bis Juni. Diese Zeit dient der Entspannung und der jährlichen Bilanzierung, aber wir unternehmen dann auch schon unsere ersten privaten Reisen im Land.
Spätestens aber zur Regenzeit, die viel besser Grüne Zeit heißen sollte, unternehmen wir unsere spannenden Reisen, zu zweit oder mit Freunden und Gästen. Dann erkunden wir neue Regionen, befahren unbekannte Straßen und klettern in den Bergen. Diese Reisen sind wirklich die besten Reisen, die man machen kann, wenn man etwas Abenteuerlust mitbringt.
Im Juli sind wir beispielsweise ganz spontan auf einer abgelegenen Straße nach Norden gefahren. Was wir vorher nicht wussten: Die Brücke wurde noch wenige Tage zuvor weggeschwemmt, und das war guter Rat teuer… Angesichts solcher Erlebnisse hat man auf solchen Reisen die ganze Bandbreite von Emotionen: Freude und Frust, gepaart mit Abenteuer und wundervollen Erinnerungen. Im Oktober endlich schließt sich der Kreis wieder, und spätestens zum Lichterfest Thadingyut zum Oktobervollmond kommen die ersten Gäste an.
Heimat ist ein Ort, an dem ich mich wohl fühle. Das ist natürlich Yangon, wo ich überwiegend lebe, aber auch zum Beispiel Ungarn, wo meine Familie ein schönes Haus besitzt. Das ganze muss man abgrenzen zu Orten, wo wir aus dem Koffer leben. Das ist in Deutschland so, wo ich ja keinen Wohnsitz mehr habe.
Wir überlegen, in Zukunft unsere Sommer in Europa vermehrt in Ungarn zu verbringen, ganz so, wie meine Großeltern. Die waren im Winter in Myanmar und im Sommer in Ungarn, wo sie das Haus extra zu diesem Zweck gekauft haben.
Man sollte wirklich in der Grünen Saison reisen, normalerweise als Regenzeit bekannt. Nach einem kurzen Besuch in Yangon geht es nach Norden, ins wunderschöne Bagan oder Mandalay, oder in die grünen Berge des Shan- und Kayah-Staats.
Während dieser touristischen Nebensaison sind wenige Touristen im Land, die Preise sind niedriger, und die Leute sind viel entspannter. Und falls es doch mal regnen sollte, geht man einfach in die nächste Beer Station und trinkt ein Bier – meistens hört der Regen nach einer Stunde wieder auf und die Sonne strahlt auf das wunderbare Grün der Landschaft, dass man während der Hauptsaison kaum zu Gesicht bekommt.
Einzig auf den Besuch der wunderbaren Strände Myanmars muss man leider verzichten. Der Monsun ist an den Küsten am stärksten.
Ausländer, die in Myanmar leben, genießen nicht den selben rechtlichen Schutz wie Einheimische. Dem gegenüber steht eine unendlich große Hilfsbereitschaft im Falle von Problemen.
Selbst jemand wie ich, der in den entfernten Grenzregionen unterwegs ist, stößt selten auf Ärger, obwohl man dort schnell Probleme mit nervösen Beamten haben kann. Meistens hilft es, zu sagen, man wolle nur diese oder jene Pagode besuchen um zu beten – solche Bitten werden kaum abgeschlagen, auch wenn sie nicht unbedingt wahr sein müssen.
Das bringt mich gleich zum zweiten Punkt. Meine Frau ist Buddhistin, und um sie heiraten zu dürfen, musste ich ebenfalls Buddhist werden, andernfalls hätte der Richter die Urkunden nicht ausgestellt. Das war kein Problem für mich, da ich zuvor in keinster Weise konfessionell gebunden war, und ich mich außerdem den (oftmals ungeschriebenen) Regeln meiner Wahlheimat beugen muss. Da hilft es nicht, den Leuten seine eigene Meinung aufdrücken zu wollen.
Myanmar beschützt sich und die Bevölkerung vor allzu großer legaler und illegaler Einwanderung, was man durch die koloniale Erfahrung von 1826 bis 1948 verstehen muss. Damals kam es zu ungehinderter Einwanderung aus Südasien, was bis heute noch Probleme mit sich bringt, aber von Außen gerne als neues Problem jenseits der Geschichte wahrgenommen wird.
Ein sensibles und bescheidenes Auftreten wird hier sehr geschätzt.
Das Interview führte Jan-Christoph Daniel.
Hier erfahrt ihr mehr über Tobias Esche und Myanmar.
Tobias Esche auf LinkedIn
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Reiseführer Myanmar: Unterwegs im Land der weißen Elefanten
http://www.trescher-verlag.de/reisefuehrer/asien/myanmar.html