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Ist die Lehre in Singapur effektiver?

21. November 2014

Das Bildungssystem in Singapur wird häufig als eines der besten der Welt bezeichnet. Im letzten Zyklus der PISA Studie 2012 kam Singapur in Mathematik im weltweiten Vergleich auf Platz 2 dicht nach Shanghai. In den Naturwissenschaften und in der Lesekompetenz war Singapur auf Platz 3 nach Hongkong.

Ziel der PISA-Studie ist es, berufsrelevante Fähigkeiten zu messen und vergleichbar zu machen. Untersucht werden dabei die Bereiche Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz. Deutschland ist beispielsweise im Bereich Lesekompetenz im internationalen Vergleich nur auf Platz 19.

Eine einfache Antwort

Es wurde in den deutschen Medien viel diskutiert, was die Gründe für das herausragende Bildungsniveau in den ostasiatischen Ländern sein könnten. Aus eigener Erfahrung des Unterrichtens in Singapur und Hongkong kann ich eine simple Antwort geben: Asiatische Studenten tendieren dazu, mehr Zeit und Mühe in ihr Studium zu investieren als ihre deutschen Kommilitonen. Sie arbeiten einfach härter.

Doch woher kommt das? Die Gründe dafür sind vielschichtig. Es lohnt sich, einen kleinen Exkurs in das konfuzianische Wertesystem zu unternehmen und den Versuch zu wagen, eine »asiatische Perspektive« auf Bildung einzunehmen.

Was kann der Westen vom Osten lernen?

Der Konfuzianismus prägt seit Jahrhunderten die chinesische Kultur und beeinflusst bis heute das Bildungssystem und den Geschäftsalltag in Singapur und anderen Ländern Asiens.

Eine der Grundprinzipien der konfuzianischen Lehre ist die Stabilität der Gesellschaft, die durch wechselseitige Verpflichtungen in zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist. Ein Mensch ist demnach nicht in erster Linie ein Individuum, sondern immer ein Mitglied einer sozialen Gemeinschaft.

Ist es das kulturelle Fundament?

In dem faszinierenden Buch Cultural foundations of learning schreibt die Autorin Jin Li, dass der chinesische Ansatz des Lernens seine Wurzeln in der konfuzianischen Lehre hat. In westlichen Lernansätzen drehe sich die Lehre primär um die Ideale des rationalen Individuums. Der Lernende nehme dabei die Rolle des neugierigen, Fragen stellenden Skeptikers ein.

Laut Jin Li sehen Studenten im Westen das Lernen als Schlüssel zur externen Welt, während in Asien Lernen eher als einen Weg zur inneren Erkenntnis gesehen wird. In der konfuzianischen Lehre stelle das Lernen eine moralische Verpflichtung dar. Pragmatisches Handeln stehe über dem Nachdenken und Reflektieren

Warum sind Bildungskonzepte in Asien erfolgreicher?

In der westlichen Welt gibt es eine umfassende Anzahl an Lerntheorien. An welchen Stellen wird in Asien anders gelehrt und gelernt?

In dem Buch What the West can learn from the East werden von verschiedenen Autoren unterschiedliche Lernansätze in Asien unter sucht. Insbesondere werden Unterschiede in der Motivation zum Lernen beleuchtet. Auch hier spiegeln sich konfuzianische Werte und Moralvorstellungen wieder. Ein bekanntes Zitat von Konfuzius lautet: »Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.«

Kollaboratives Problemlösen

Das Bildungssystem in Singapur hat natürlich Schwächen. Kritiker bezeichnen Singapur oft als Brachland, wenn es um Kreativität und soziale Kompetenz geht. Die Lehre sei vor allem zu stark auf das Bestehen von Klausuren und Prüfungen ausgerichtet, wofür isoliertes Pauken von Lerninhalten Erfolg versprechend ist.

Im nächsten Zyklus der PISA-Studie 2015 wird erstmals ein neuer Bereich getestet – die Kompetenz des kollaborativen Problemlösens. Die Ausdehnung des Problemlösens auf eine soziale Kompetenz stellt eine sinnvolle Erweiterung des Lernbegriffs dar.

Wird der neue Bereich des kollaborativen Problemlösens die Ergebnisse der nächsten PISA-Studie signifikant verändern?

Text: Jan-Christoph Daniel

 

Quellen:
Li Jin (2012) Cultural foundations of learning: East and West. Cambridge University Press
Oon Seng Tan (2008) What the West can learn from the East: Asian perspectives on the psychology of learning and motivation. Information Age Publishing.

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